Votum zum Bericht des Beauftragten der Landesregierung von Baden-Württemberg gegen Antisemitismus Dr. Michael Blume vom 15.7.2019
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Frau Aras,
sehr geehrte Herren Vorsitzende der Landtagsfraktionen von Baden-Württemberg,
mit großer Aufmerksamkeit hat die Evangelische Landeskirche in Baden den Bericht des Antisemitismusbeauftragten in Baden-Württemberg vom 15. Juli 2019 zur Kenntnis genommen. Wir sind dankbar, dass der vorliegende Bericht die Entwicklung des Antisemitismus nüchtern und realistisch in den Blick nimmt. Es besteht großer Anlass zur Sorge, wie zuletzt u.a. Vorgänge um die unsäglichen antiisraelischen Plakate der Partei Die Rechte zur Europawahl wieder gezeigt haben. Es besteht aber kein Anlass, die Lage zu dramatisieren, denn ein breites Bündnis aus Politik und Zivilgesellschaft und nicht zuletzt den christlichen Kirchen steht aufrecht und klar für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und die jüdischen Gemeinden ein, pflegt nicht nur seit vielen Jahren eine vertrauensvolle und verlässliche Partnerschaft, sondern ist auch bereit, sich auf der Straße schützend vor sie zu stellen. Auch das hat sich in Pforzheim deutlich gezeigt.
Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die dem traditionellen Antijudaismus für die Ausprägung antisemitistischer Einstellungen zukommt, sieht sich die Evangelische Kirche in Baden in der Verantwortung, immer wieder deutlich dafür einzutreten, dass sich jüdische Menschen und Gemeinden in Deutschland sicher fühlen. So hat die Synode unserer Landeskirche bei ihrer Herbsttagung 2018 dies noch einmal mit einem deutlichen Wort gegen Antisemitismus bekräftigt. Wir wollen diesen Worten mit unserem Tun entsprechen.
Der vorliegende Bericht kommt nach der Analyse und Darstellung der Phänomene in Teil V zu „Handlungsempfehlungen für die Landespolitik“, die auch für uns als Kirche wichtig sind. Wir sind gerne bereit, uns an Überlegungen zu ihrer Umsetzung zu beteiligen und unsere Erfahrungen, Strukturen und Arbeitsstellen, die seit vielen Jahren den christlich-jüdischen Dialog pflegen und ausbauen, dabei einzubringen:
- Unter dem Stichwort „Begegnen“, genauer noch: „Begegnungen auf Augenhöhe schaffen“ plädiert der Bericht dafür, das heutige jüdische Leben in Baden-Württemberg wahrzunehmen und zu feiern. Es gilt, die Kultur des Erinnerns einzuzeichnen in eine lebendige Weggemeinschaft mit Jüdinnen und Juden in unserem Land; darum bemühen sich seit langem auch die Veranstaltungen zur Woche der Brüderlichkeit. Wir unterstützen dieses Anliegen sehr und halten es für wichtig, dass diese Verbundenheit auch deutlich wird, wenn sich die weltweite ökumenische Kirchengemeinschaft im Jahr 2021 zu ihrer Vollversammlung in Karlsruhe trifft. Es muss uns ein Anliegen sein, dabei die 1700jährige Präsenz des Judentums und jüdischer Menschen in Deutschland nicht nur als geschichtliches Phänomen, sondern als lebendige Gegenwart ins Bewusstsein zu heben.
- Unter dem Stichwort „Brücken bauen“ regt der Bericht den Aufbau eines „Maas-Tenné-Begegnungswerkes“ an, um Kooperations- und Begegnungsprojekte mit Israel zu bündeln, zu beraten, zu fördern und zu begleiten. In der Tat stehen die beiden Namen Hermann Maas und Meinhard Tenné in besonders prägnanter Weise für „Brückenbau“ über die Religionen und Grenzen hinweg. Hermann Maas spielt für das Selbstverständnis unserer Kirche eine zentrale Rolle und wird mit Preisen in den Gemeinden Gegenbach und Heidelberg geehrt. Er hat uns früh gelehrt, dass unser Glaube dürr wird, wenn er sich von seinen jüdischen Wurzeln trennt und dass Versöhnung der zentrale Auftrag unserer Kirche ist, den sie auch öffentlich deutlich und erkennbar wahrzunehmen hat. Wir würden uns sehr gerne an der Entwicklung eines solchen Begegnungswerkes beteiligen.
- Schon lange ist uns auch die Kooperation mit Yad Vashem ein Anliegen. Zudem bemühen wir uns um den Ausbau von Schulpartnerschaften mit Israel, insbesondere auch in den Schulen in evangelischer Trägerschaft. Auch hier bieten wir unsere Zusammenarbeit an: Begegnung, gerade auch zwischen Jugendlichen, ist ein notwendiger Schlüssel, um die Tür in eine gemeinsame Zukunft trotz aller Verschiedenheit zu öffnen!
Wir danken dem Landtag von Baden-Württemberg dafür, dass er den vorliegenden Bericht angefordert hat und in öffentlicher Sitzung am 17. Oktober beraten wird. Wir danken auch dem Antisemitismusbeauftragten Dr. Blume für die Abfassung des Berichtes, der sich jeder Form des Antisemitismus und allen Tendenzen einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit entgegenstellt. Wir hoffen und wünschen, dass solches Engagement nicht nur im baden-württembergischen Landtag, sondern im ganzen Land offene Ohren und Herzen finden möge.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh Axel Wermke
Landesbischof Präsident der Landessynode