Micha und die Sehnsucht nach Frieden

Predigt Heiligabend 2014

Liebe Gemeinde,

es beginnt mit einem Augenpaar in Nahaufnahme auf unserem Bildschirm. Durch das linke Auge hindurch entsteht ein Fadenkreuz. Kurze Zeit später scheint das ganze Bild zu explodieren und wir sehen und hören einen Menschen auf der Flucht.

Sonntagabend, 20.15 Uhr. Der Tatort in der ARD.

Deutschland sucht nicht mehr den Impfpass, sondern die Täter.

Es geht um die Grundfragen menschlichen Lebens: Verantwortung, Gerechtigkeit, Schuld und Vergebung.

Seit 1970 und nach über 900 Erstausstrahlungen haben wir etliche Kommissare, Kommissarinnen und Ermittlerteams kennengelernt. 90 Minuten lang sind sie unterwegs im Kampf gegen das Verbrechen.

Der Predigttext für den heutigen Gottesdienst steht im biblischen Buch des Propheten Micha. Auch hier hören wir keine wundersamen Glockenklänge oder zarten Engelsgesang, sondern dieses Buch bietet Stoff für mehrere Tatort-Folgen und Fantasy-Romane gleichzeitig.

Berge schmelzen, Täler werden überflutet.

Menschen werden brutal misshandelt.

Städte zerfallen zu Steinhaufen.

Micha, der Prophet, fasst zusammen: „Des Menschen Feinde sind seine eigenen Hausgenossen.“

Während einer seiner Zeitexpeditionen in das Jahr 2014 stellt Micha fest, dass diese Zustände sich nicht geändert haben.

Berge schmelzen, Täler werden überflutet.

Menschen werden brutal misshandelt.

Städte zerfallen zu Steinhaufen.

Des Menschen Feinde sind seine eigenen Hausgenossen.

Das klingt bedrückend aktuell.

Micha, der Prophet, stapft durch dieses Dickicht.

Auf der Jagd nach dem Recht.

Auf der Suche nach Sinn und Heil.

Und mit einer Vision des Friedens unter den Menschen.

Kompromisslos und engagiert wie Lena Odenthal.

Aufbrausend und leidenschaftlich wie Schimansky.

Beharrlich und neugierig wie Thiel und Boerne zusammen.

TatOrt: Jerusalem, Hauptstadt des Kleinstaates Juda

TatZeit: 8. Jahrhundert vor Christi Geburt

Opfer: die bäuerliche Landbevölkerung außerhalb der Hauptstadt

Mutmaßliche Täter: reiche Großgrundbesitzer, die die Bauern rücksichtslos in finanzielle Abhängigkeit stürzen. Es hat Tote gegeben.

Micha, der Kommissar, steht frustriert mit einem Bier in der Hand vor der Curry-Wurst-Bude. Die Verdächtigen reden sich heraus und lassen ihre Beziehungen spielen. Sie kümmern sich nicht um das Leid der anderen. Wie soll sich da etwas ändern?

Er sollte noch einmal die Spurensicherung einschalten. Es muss doch Hinweise darauf geben, wo das Heil, das er sucht, zu finden ist! Es muss doch einen Frieden geben, der allen gilt! Es muss doch eine umfassende Gerechtigkeit geben – für Täter und für Opfer!

Micha bekommt eine Nachricht zugespielt.

Im 5. Kapitel seines Buches heißt es:

Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.

Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel.

Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist.

Und er wird der Friede sein.

Micha, der Friedenssucher, steht noch immer an der Curry-Wurst-Bude und starrt ungläubig auf das Display seines Smartphones.

Dieser seltsame Satz: „bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat“.

Was hat es mit dieser Geburt auf sich? Ob die Frau gewollt oder ungewollt schwanger geworden ist und wer der Vater des Kindes ist, scheint gar keine Rolle zu spielen.

Und wieso Bethlehem?

„Max, was tun wir hier eigentlich?“, fragt Freddy Schenk seinen Kollegen, wenn ihnen der Sinn ihrer Aufgabe abhanden kommt.

Auch Micha spürt, dass er so nicht vorankommt.

Er muss tiefer und weiter blicken.

Es geht wohl nicht nur um diesen einen Fall. Sondern es geht um die tiefe Sehnsucht unserer menschlichen Herzen nach Heil und Frieden. Und es geht um die Weite Gottes, in der sie allein zu finden sind.

Er muss tiefer und weiter suchen.

Gottes Heil wird sich ausbreiten, so weit die Welt ist. So steht es in der Nachricht. Und es gibt schon Zeiten und Orte, an denen es sich zeigt.

Es gibt schon Spuren des Heils – überall und immer wieder.

Bei einer erneuten Zeitexpedition in das Jahr 2014 schaut Micha noch einmal genauer hin. Und er findet auch hier bei uns Spuren des Heils und des Friedens.

Er sieht Menschen, die zusammen sind, die Lieder singen und Feste feiern.

Er sieht Menschen, die sich um die kümmern, die nichts zu feiern haben, weil ihre Häuser zu Steinhaufen zerfallen sind.

Er sieht Menschen, die sich für Klimaschutz und fairen Handel engagieren.

Er sieht Menschen, die hier in Blankenloch Heiligabend einmal anders feiern. Und andere, die Friedenslichter durch die Straßen tragen.

Er sieht Menschen, die hier in der Kirche sitzen und alle Jahre wieder darauf warten, dass die, welche gebären soll, geboren hat.

Sie hat ja geboren.

Und dieses Kind hat die aufrechten und streitbaren Kommissare rechts überholt und liegt klein und hilflos in einer armen Hütte fernab der Hauptstadt.

Die Spurensicherung musste sich schon ein bisschen anstrengen, um bis hierher zu kommen. Die Experten haben gelernt, besonders auf die leisen Töne und die kleinen Lichter zu achten: auf wundersame Glocken und zarten Engelsgesang. Auf den Stern und den Kerzenschein.

So haben sie das Kind in der Krippe gefunden.

Wenn am Sonntagabend in der ARD nach 90 Minuten der Tathergang rekonstruiert und die Täter gefasst sind, bleibt oft ein Gefühl der Leere zurück. Unwiederbringlich Verlorenes, sinnlos Zerstörtes, zerbrochene Beziehungen und gebrochene Menschen.

Gut, dass wir nicht nur den Tatort haben, um uns in den Grundfragen unseres Lebens zu orientieren: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Von Micha können wir lernen, dass es nicht nur darum geht, Ordnungen zu haben und wieder aufzurichten.

Wir können weiter und tiefer blicken und neue Spuren suchen und sichern.

Nachts im Präsidium, die Füße auf dem Schreibtisch neben der leeren Pizzaschachtel, lässt uns die Ahnung nicht los, dass hinter den Ordnungen noch etwas ist, und dass nach der Ordnung etwas ganz anderes gilt.

Und diese Ahnung lässt uns hoffen. Für unsere Welt und für uns. Für das menschliche Leben, das so zerbrechlich ist, und von dem wir wissen, dass längst nicht alles, was uns kaputt geht, wieder heile und ganz wird.

Micha, der Prophet auf der Suche nach dem Heil, hat schon mal ein paar Spuren für uns gesichert. Alle Jahre wieder warten wir auf seinen Rat hin auf das Kind in der Krippe.

Micha, der Zeitreisende mit Friedensvision, hat uns schon verraten, dass am Ende alles gut ausgeht!

Das, was uns zerbrochen ist und immer wieder zerbricht, wird Gott neu machen.

Das Kind in der Krippe wurde zum Opfer menschlicher Verbrechen – und Gott hat gezeigt, worin seine Gerechtigkeit besteht: in einer Liebe, die keine Grenzen kennt. Auch nicht die des Todes.

Er wird die Tränen abwischen von unseren Augen und wir werden sicher wohnen. Und er wird der Friede sein.

Gut, dass wir nicht nur den Impfpass und die Täter suchen, sondern auch das Kind in der Krippe.

Und der Friede Gottes, der höher und tiefer und weiter ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

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